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Postgesetz im Wandel: Kohärenz oder Stückwerk?

Postgesetz im Wandel: Kohärenz oder Stückwerk? - LKW-News aktuell und informativ

Beitragsbild: Post-Medien

Gastkommentar von Prof. Dr. Kai Gehring, Professor für Politische Ökonomie und Nachhaltige Entwicklung am Volkswirtschaftlichen Institut der Universität Bern

Die parlamentarische Initiative von Nationalrat Jürg Grossen möchte den Tätigkeitsbereich der Schweizerischen Post verengen und das Quersubventionierungsverbot verschärfen. Erstens wären nur noch die Beförderung von Postsendungen und Stückgütern sowie eng vor- oder nachgelagerte Tätigkeiten als Geschäftsfelder für die Post zulässig; digitale Angebote blieben auf die Infrastruktur beschränkt. Zweitens würde die Prüfung, ob ein Bereich überhaupt Gewinne erwirtschaftet, gestrichen – selbst ein defizitärer Briefbereich gälte als potenzielle Quelle unzulässiger Quersubventionierung. Drittens soll die Aufsicht künftig von Amtes wegen prüfen können, ob einzelne Geschäftsfelder der Post mit dem Zweckartikel vereinbar sind. Das schafft zusätzliche Rechtsunsicherheit und erschwert Investitionen in neue Tätigkeiten.

Das Anliegen ist ordnungspolitisch legitim. Staatliche Unternehmen in Wettbewerbsfeldern müssen wettbewerbsneutral agieren – ohne verdeckte Beihilfen, mit transparenter Kostenrechnung und identischen Spielregeln – um private Investitionen vor Verdrängung zu schützen. Doch ein isolierter Eingriff riskiert, Finanzierung, Auftrag und Unternehmenslogik zu entkoppeln.  Politökonomisch lautet die Abwägung in diesem Falle weniger «Markt oder Staat», sondern «Kohärenz oder Stückwerk».

Aus ökonomischer Sicht gibt es drei Finanzierungsquellen für den Grundversorgungsauftrag:

  1. Nutzerpreise signalisieren Knappheit, sind aber politisch sensibel, weil der Grundversorgungsauftrag Zugang in der Fläche garantiert.
  2. Querfinanzierung: Profitable Bereiche federn Verluste in anderen Bereichen ab.
  3. Öffentliche Abgeltungen: Die Politik definiert gewisse Leistungen und erstattet betriebswirtschaftlich nicht tragfähige, aber politisch gewollte Kosten.

Europaweit wurden, wo die Politik die Realität anerkannt hat, Pakete und Briefe organisatorisch zusammengeführt, Zustellfrequenzen flexibilisiert oder direkte Abgeltungen eingeführt. Frankreich und Italien ergänzten die Eigenwirtschaftlichkeit mit direkten Abgeltungen für bestimmte Leistungen. Wo man ganzheitliche Reformen scheute, folgten zwangsläufig Qualitätsverluste, weitere Konsolidierung der Netze oder tiefe finanzielle Löcher. Die Schweiz sollte also aus diesen Lehren lernen, bevor es der Kassenstand erzwingt.

Trotz aktuell noch hoher Qualität zeigen die ökonomischen Zahlen auch bei der Schweizerischen Post eine eindeutige Tendenz. Den steigenden jährlichen Nettokosten der Grundversorgung steht ein stetig schrumpfender Wert des Briefmonopols  gegenüber.  Auch ohne absolute Verluste liegt die Eigenkapitalrendite der Schweizerischen Post schon tendenziell unter dem, was der Kapitalmarkt verlangen würde – ein Frühwarnsignal, bevor strukturelle Defizite sichtbar werden.

Zwei konsistente Modelle scheinen aus polit-ökonomischer Sicht tragfähig: Entweder ein enger, klar bepreister Auftrag mit regelmässigen, transparenten Abgeltungen. Oder ein breiterer Auftrag mit unternehmerischem Spielraum, der explizit Synergien und klar definierte, profitable digitale Wachstumsfelder zulässt. Ein breiter Auftrag ohne Abgeltungen – wie es die parlamentarische Initiative beschreibt – ist unter den realen Mengen‑ und Kostenentwicklungen unrealistisch und nicht tragfähig.

Die Wahl zwischen diesen Modellen hängt von den Präferenzen ab; entscheidend ist, dass Ziele, Mittel und Anreize kohärent sind. Wer den Schweizerinnen und Schweizern  umfassende und verlässliche Postdienste verspricht, muss entweder bereit sein dafür zu bezahlen – oder der Post erlauben, in anderen Geschäftsfeldern ausreichend Geld zu verdienen.


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